• "Versäumt nicht, zu üben die Kräfte des Guten."

    aus dem Gedicht "Symbolum" von
    Johann Wolfgang von Goethe (Freimaurer, Loge Anna Amalia, Weimar)

Verschwundene Hochkultur

Eine Ferienreise im Jahre 1991

Eine Ferienreise im Jahre 1991 führte uns, meine Frau und mich, nach Pakistan. Schon zwei Jahre zuvor weilten wir für kurze Zeit bei guten Freunden in diesem Land, das in unserer Welt wahrlich nicht als Ferien- oder Reiseland gilt. Irgendetwas faszinierte mich, ich wusste nicht, was es war und ich kann nicht glauben, dass es die damaligen Eingliederungs- und Anpassungsschwierigkeiten gewesen sein könnten. Nun, wir wagen einen zweiten Versuch, planten mit unseren Freunden eine gemeinsame Reise in den Norden des Landes.

Vor Ort, in Karachi, verwarfen unsere pakistanischen Reisebegleiter unseren Plan, per Auto loszufahren. Zu unsicher sei es im Sind, dem südlichen Teil des Landes, zu reisen. Die Gefahr des Kidnappings sei zu gross. Per Flugzeug, Bus und Bahn haben wir die grossen Süd-Nord- Distanzen überwunden, das Auto wurde per Camion nach Lahore gebracht.

Der Flieger, eine klapprige «Fokker-Friendship», brachte uns von Karachi nach MOHENJO-DARO. Der Flughafen war, gewissermassen als Bestätigung der Bedenken unserer Freunde, streng von Militär bewacht. Das Guest-House, zu dem wir bei Einbrechen der Dämmerung geleitet wurden, war ebenfalls bewacht, von mit Langgewehr patrouillierenden, vermummten Gestalten.

Eine Reminiszenz von diesem Ort: Beim kleinen Abendspaziergang im Park des Guest-Houses entdeckten wir in einer düsteren Ecke zwei kleine Zelte. Aus einem dieser Zelte nahmen wir vertraute, schweizerdeutsch sprechende Stimmen wahr. Einer der Touristen war Pfleger im Kantonsspital Schwyz. Per Velo sind die beiden unterwegs nach Indien gewesen, so also heil durch den gefährlichen Sind gereist, nicht ganz unbeschwert zwar aber jeden Abend haben sie Schutz bei Pakistani-Familien gefunden. Von diesen gastfreundlichen Menschen haben sie jeden Tag, für jede Etappe wertvolle Hinweise für die weitere Fahrt bekommen.

Soweit die Reminiszenz. Wir sind also in MOHENJO-DARO angekommen, einem Ausgrabungsort, der auf pakistanischen 10-Rupie-Scheinen imposant dargestellt ist.

 

Besuch der Ausgrabungsstätte MOHENJO-DARO

Unbeschreiblich sind die Eindrücke von unserem Besuch auf dieser Ausgrabungsstätte. Wir erfuhren, dass wir uns in den Ruinen eines Zentrums der rund 5000 Jahre alten Harappa-Kultur befanden. Ich sehe die gewaltige Totenstadt immer noch vor mir: Sie lag in gleissendem Sonnenlicht; die schnur­geraden Strassen, Meister­werke der Bau­kunst, zogen sich sauber ziegelgemauert dahin und schnitten sich genau rechtwinklig. Über der Stadt erhob sich ein Hügel mit einem buddhistischen Stupa. 

 Ein gewisser Sir John Marshall soll ihn entdeckt und 1924 mit Ausgrabungen begonnen haben. Hier gab es wohlangelegte z.T. mehrstöckige Häuser und staunend standen wir vor dem grossen Bad, dessen Mittelteil ca. 3 Meter tief ist. Nördlich daran schloss sich ein Gebäude an, das kleine Privatkabinen enthielt, deren Türen waren so gegeneinander versetzt, dass ein Einblick von einer zur anderen nicht möglich war.

Wir bewunderten das kunstvolle Abwassersystem, das hier wohl um ca. 2500 vor Christus angelegt worden ist. Die Strassen sehen aus als seien sie erst seit gestern verlassen. In jenen Bezirken der Stadt, die der Kanalisation nicht angeschlossen waren, gab es in den Häusern Toiletten, deren Entsorgung über steckbare gebrannte Ton-Rohre in Amphoren ausserhalb des Hauses geschah. Diese Amphoren sind wohl periodisch am rechten Ort entleert worden. Damals schon solche Hygiene im Wohnbereich, erstaunlich, erstaunlich.

Die Sodbrunnen in den Häusern sind gemauert und oft bis zum 1. Stock geführt. Im Raum darunter muss die Dusche gelegen haben. Eindrücklich, wenn ich beachte und mir bewusst bin, dass dies alles vor bald 5000 Jahren von Menschen konzipiert, gebaut und während ca. 1500 Jahren genutzt worden ist.

Die öffentlichen Brunnen, in zwei konzentrischen Kreisen aus Ziegelstein gemauert, sind so gestaltet, dass verunreinigtes Tropfwasser nicht in den Brunnen zurückfliessen konnte, sondern damals schon dem Abwassersystem zugeführt worden ist.

 

Nach dem Verweilen in den Ruinen der imposanten Totenstadt, welche seinerzeit ca. 40’000 Menschen Lebensraum gewesen sein soll, besuchten wir das schlichte Museum von MOHENJO-DARO.

 

Der Besuch im Museum von MOHENJO-DARO

Ganz im Gegensatz zur Schlichtheit des Museums beeindruckten mich die da vorgefundenen Gegenstände mächtig. Beim stillen Betrachten des vielfältigen Ausstellungsgutes erfüllte sich die eben verlassene Totenstadt mit Leben, mit Bezügen und Gedanken zum Sein von damals.

  • Die Spindeln mit teilweise noch an ihnen zu entdeckenden Fäden waren mir, als ehemaligem Textiler, Zeichen dafür, dass schon damals gesponnen und wohl auch gewebt worden ist.
  • Die reizenden weiblichen Skulpturen trugen meist einen Minirock, oben nichts ausser Schmuck. Die männlichen Statuetten sind fast durchwegs nackt.
  • An Schmuck gab's Halsketten, Fingerringe, Armbänder aus Gold, Silber oder Kupfer. Viele Edel- und Halbedelsteine sind so perfekt geschliffen, als kämen sie direkt aus einem Juweliergeschäft Zürichs oder Luzerns. Die Goldschmuckarbeiten können sich mit unserem zeitgenössischen Handwerk messen.
  • Waagen, wie wir sie heute noch auf orientalischen Märkten in Gebrauch antreffen, Bronze-Stab mit zwei Waagschalen, gab's. Würfelgewichte aus poliertem Stein sind nach dem Zweiersystem eingeteilt.
  • Töpfereien gab's in grosser Vielfalt: Becher, Vasen, Schüsseln, Pfannen, Futtertröge und Kinderbadewanne, alles höchst funktionsgerecht gestaltet, schön verziert.
  • Kinderspielzeug aus Terrakotta muss es zuhauf gegeben haben. Auffallend, Rasseln und Rinder mit beweglichen Köpfen.
  • Die diversen Siegel, vermutlich aus Speckstein geschnitzt oder aus gebranntem Ton, zeigen Tier- oder Menschenfiguren umgeben von wenigen Schriftzeichen.

 

Erst als ich mich damit befasste, Euch von meiner erstaunlichen Entdeckung in Pakistan zu berichten, fand ich in der Zentralbibliothek Luzern den reichillustrierten Katalog zur Ausstellung "VERGESSENE STAEDTE AM INDUS". Ab 1987 war diese Ausstellung in Aachen, München, Paris und diversen weiteren europäischen Städten zu sehen. Ich wusste nichts davon. Zu den Geheimnissen der Harappa-Kultur lasse ich Wissenschaftler aus diesem Werk zu Euch sprechen. 

Was uns die Wissenschaftler zu den Geheimnissen zu sagen haben:

Nach den frühesten Hochkulturen befrag werden die meisten von uns antworten: Mesopotamien und Ägypten. Das hat seinen guten Grund: Beides sind Schauplätze biblischer Geschichte, ihre Hochkulturen waren schon dadurch nie in Vergessenheit geraten.

In Ägypten sorgen die Pyramiden seit Jahrtausenden für Aufsehen und Aufmerksamkeit.

Aber das Industal? Da sind doch die vielzitierten Arier nach Indien eingewandert und natürlich: Der berühmte Zug Alexander des Grossen den Indus hinab bis zum Arabischen Meer. Aber das war doch alles viel später... War da vorher schon etwas?

Wer so fragt, der hätte sich noch zu Beginn unseres Jahrhunderts in der Gesellschaft der besten Archäologen befunden. Und dennoch: Im Industal, ziemlich genau dem heutigen Staatsgebiet Pakistans entsprechend, hatte sich bereits vor 4500 Jahren eine Hochkultur entwickelt, die sich in ihrer technischen und künstlerischen Vollkommenheit durchaus mit dem Zweistromland und Ägypten vergleichen lässt - und in ihrer Ausdehnung um ein Vielfaches grösser war.

In den letzten Jahrzehnten wurden zahllose Funde an mehreren Grabungsstätten gemacht und auch hervorragend dokumentiert.


Das junge Pakistan war sich seit seiner Gründung 1947 des einzigartigen Erbes wohl bewusst und hat die Ausgrabungen im Rahmen seiner Möglichkeiten stets gefördert.

Die UNESCO setzt sich in besonderem Masse für die Erhaltung der von Umwelteinflüssen bedrohten Ausgrabungen ein. Wohl war ab 1987 die Ausstellung "Vergessene Städte am Indus" in Europa unterwegs. Dennoch ist in der Öffentlichkeit von der Indus­Kultur noch immer sehr wenig bekannt.

 

DIE ENTDECKUNG

In der Zeit um 1856, das Britische Empire unter Königin Viktoria steht im Zenit seiner Macht, beauftragt dieses die Ingenieure John und William Brunton, eine Eisenbahnlinie von Karachi nach Lahore zu bauen.

 

Das war leichter gesagt als getan, denn es fehlten die Steine für den Unterbau. John Brunton behilft sich mit Ziegeln aus Braminbad, einer zerfallenen mittelalterlichen Ansiedlung.

Sein Bruder William, der den nördlichen Teil zum Pandschab hinauf baut, sucht auf Johns Rat hin ebenfalls nach Ziegeln. Zwischen Multan und Lahore bei dem kleinen Städtchen Harappa findet er Ziegelsteine einer alten Stadt. Sie sind so stabil, dass sie ohne weiteres Eisenbahnzüge tragen können, ohne zu zerfallen.

Seither rollen die Züge nach Lahore auf einer Strecke von 160 km über Ziegel, die gebrannt worden waren, als sich die Cheops-Pyramide gerade im Bau befand.

Erst über 60 Jahre später, ab 1922, entdeckte man nach und nach, dass es im Industal längst vor der Einwanderung der Arier eine hochstehende Kultur gegeben hatte, die gegen 5000 Jahre alt sein musste.

Man hatte eine einheitliche Kultur entdeckt, die sich vom Pandschab über 1600 km bis hinab nach Belutschistan erstreckte - und die aus einer Zeit stammte, welche bis dahin als "barbarische Vorzeit" ausserhalb des archäologischen Interessenbereichs geblieben war. Man nannte sie nach der ersten Fundstätte HARAPPA-Kultur.

 

Dass diese Kultur so spät entdeckt wurde, muss man im Nachhinein als Glücksfall bezeichnen. Denn hier wurde von Anfang an nach modernen archäologischen Gesichtspunkten gearbeitet. Sir John Marshall, Direktor des Indischen Archäologischen Dienstes,

war als Wissenschaftler über jeden Zweifel erhaben. Dieser Professionalismus gilt auch für die Nachfolger: Sir Mortimer Wheeler, E.J.H. Mackay, Bridget und Raymond Allchin, G, K. Possehl, N.G. Majumdar, M.S. Vats, G.F. Dales und andere.

Der Arbeit dieser Wissenschaftler verdanken wir nicht nur wesentliche Kenntnisse der Induskultur und eine grosse Zahl guterhaltener Artefakte; sie liessen die Welt auch nicht darüber im Unklaren, was die Wissenschaft noch nicht weiss. Das ist in diesem Fall sehr viel. In den ernstzunehmenden Werken wurden nie Tatsachen mit Spekulationen vermischt.

 

Entstehung und Untergang der Industal-Kultur

Robert L. Raikes beginnt seinen Artikel "THE END OF THE ANCIENT CITIES OF THE INDUS" in der Zeitschrift American Anthropologist vom April 1964 wie folgt: (Zitat in deutscher Übersetzung)

"Unter denen, die sich für die Frühgeschichte des Indischen Subkontinentes interessieren, ist wahrscheinlich keine Frage grösserer Spekulation unterworfen als diejenige nach der Entstehung der Industal-Zivilisation - es sei denn die Frage, wie und wann diese Zivilisation geendet hat."

Das scheint nur allzu wahr zu sein. So zahlreich Fundstücke und Fundorte auch sind: Wir wissen nie, woher die Bewohner des Industals kamen, wie ihre Kultur entstand und warum sie unterging. Fest stehen nur folgende Tatsachen:

  1. Die Ausdehnung der Industal-Kultur ist ausserordentlich gross, grösser als die ägyptische und die mesopotamische Kultur. Sie wird im Norden vom Himalaja, im Süden vom Arabischen Meer, im Osten vom Ganges-Gebiet und im Westen von Belutschistan und Afghanistan begrenzt. Das ist ein Gebiet von nahezu 800 000 km2, welches im Prinzip Pakistan entspricht. Eine solche Kultur kann nicht in wenigen Jahren entstehen oder untergehen.
  2. Erwiesen ist, dass enge Handelsbeziehungen mit Mesopotamien und Arabien bestanden haben. Man fand zahlreiche Siegelringe aus dem Industal in Mesopotamien und mesopotamische Gegenstände im Industal. Arabien ist zu Schiff vom Indus aus leicht zu erreichen. Die Bewohner exportierten Baumwolle und Lapislazuli.
  3. Die Funde aus allen Ortschaften sind sich ausserordentlich ähnlich - auch solche aus verschiedenen Zeiträumen. Man unterscheidet wohl vier Perioden und kann alles in allem sagen, dass gerade die früheren Arbeiten künstlerisch wertvoller sind. Insgesamt ist die Industal-Kultur aber stagnierend; während ihrer Zeit fand geistig keine wesentliche Weiterentwicklung mehr statt. Das liesse eher auf einen kulturellen Anstoss von aussen schliessen. Wieviel von der lndustal-Kultur vor Ort entstanden ist und wie gross fremder Einfluss, woher auch immer, gewesen sein mag, ist unter Fachleuten einer der kardinalen Streitpunkte.
  4. Skelettfunde zeigen, dass der Volkstypus der damaligen Bewohner im Allgemeinen nicht wesentlich von dem der heutigen abwich. Es ist also nicht so, dass die Harappaner durch ein anderes Volk vernichtet worden wären - zum indes. nicht durch ein Volk, welches einer anderen Rasse angehörte. Das ist ein wesentlicher Punkt. Man fand wohl einige Skelette von Menschen, die eines gewaltsamen Todes gestorben waren, aber keineswegs so viele, dass sie auf einen grossen Bürgerkrieg oder eine gewaltsame Eroberung hindeuten würden. Es gibt auch so gut wie keine Brandspuren oder andere Zeichen gewaltsamer Zerstörung in den vielen Bauwerken der Industal-Kultur. Auch Abbildungen von Kampfhandlungen sind nirgends zu sehen.
  5. Die verschiedenen Methoden der Altersbestimmung erlauben es, den Beginn der eigentlichen Hochkultur um 3500 und den Höhepunkt um 2500 vor Christus anzusetzen. Als Siedlungsgebiet ist das Industal indessen viel älter. Es finden sich eine Menge neolithischer Steinwerkzeuge aus der Zeit um 6000 vor Christus und früher.
  6. Der äusserst planmässige Städtebau und die Einheitlichkeit der Gegenstände zeugen von einer starken staatlichen Autorität, von einer wohlorganisierten und oft geradezu erschreckend modernen Gesellschaft. Zur Zeit der arischen Einwanderung jedoch - um 1500 bis 1300 vor unserer Zeitrechnung­ war die Hochkultur im Industal bereits verschwunden oder, besser, unbedeutend geworden, aus welchen Gründen auch immer.

 

DAS RAETSEL

Wenn es aber die alte, vor-arische Kultur um 1500 vor Christus nicht mehr gab und wir ein plötzliches Ende ausschliessen, dann liesse sich der Niedergang der Kultur ab 1700 vor Christus ansetzen.

 

Warum aber, wenn nicht durch Gewalt, ist die Hochkultur des Industals 800 - 1000 Jahre nach ihrer höchsten Blüte untergegangen? Dazu gibt es mehrere Theorien. Eine der plausibleren geht davon aus, dass sich infolge einer Reihe kleinerer Erdbeben das Flussbett des Indus gehoben hat, was zu grösseren Überschwemmungen führte. Man weiss auch, dass sich der Lauf des Indus häufig ändert. Das Kann zu lokalen Senkungen oder Erhöhungen des Grundwasserspiegels, zu Verschlammung und zu Schwierigkeiten in der Landwirtschaft geführt haben. Derartige Probleme sind auch dem heutigen Pakistan keineswegs fremd.

Vermutlich kam einiges zusammen: Einmal die Tatsache, dass jede hohe Kultur einen Lebenszyklus hat. Dann vielleicht klimatische Veränderungen, die einen wirtschaftlichen Niedergang mit sich brachten; Missernten, Überschwemmungen, vielleicht Aufstände einzelner Städte gegen die Staatsgewalt.

Wie dem auch sei: Das WUNDER der Industal-Kultur dauerte rund 2000 Jahre. Und dass diese Kultur ein Wunder war, offenbart sich mit jeder Ausgrabung aufs Neue.

 

DIE STADTKULTUREN (zur Ökonomie)

Grosse Städte können nur dort entstehen und bestehen, wo auf relativ begrenztem Gebiet ein hoher Mehrwert erwirtschaftet werden kann. Die Bewohner der Städte müssen ja ernährt werden - sogar die Sklaven - und ausserdem war Bauen schon im Altertum nicht billig.

Diese wirtschaftlichen Voraussetzungen waren für Mohenjo-Daro und Harappa geradezu ideal. Der Boden war sehr fruchtbar die Flussläufe erlaubten den Warenexport bis hinab zum heutigen Karachi und sogar der Küste des Arabischen Meeres entlang.

Wir wissen, dass damals Weizen, Gerste, Datteln und Baumwolle angebaut wurden. Das Klima muss regenreicher gewesen sein als heute, denn auf Amuletten finden sich Tiere abgebildet, die feuchte Gegenden bevorzugen: Elefant, Rhinozeros, Tiger und Büffel zum Beispiel (Sämtliche Gebäude sind darum aus gebrannten Ziegeln errichtet - sonnengetrocknete hätten dem feuchten Klima nicht lange standgehalten.)

Vegetarier waren die Leute im Industal keineswegs - Reste von Schweinen, Ziegen und Rindern bezeugen das. Im Indus wurde gefischt - an vielen bronzenen Angelhaken hängen sogar noch Baumwollfäden.

 

Stadtplanung und Architektur

Was auch dem in Stadtplanung Nichtbewanderten sofort auffällt: Mohenjo-Daro, Harappa und die anderen grösseren Städte waren nicht im Laufe der Zeit aus kleinen Ansiedlungen Stück um Stück gewachsen. Sie wurden in ihrer Gesamtheit von genialen Stadtplanern konzipiert. Die Strassen laufen parallel wie in Manhattan und werden von anderen in rechten Winkeln gekreuzt. Die Perimeter wurden auf den Zentimeter gen u eingehalten. Kein Haus stand weiter vor als das andere. Die Ecken der Häuser an den Kreuzungen waren abgerundet, damit kein Ochsenkarren (oder keine Hausfassade} zu Schaden kam - dies. obwohl die grossen Strassen gegen 10 Meter breit sind. Viele Häuser waren 8 - 12 m hoch, die meisten hat man noch gar nicht bis zum Fundament ausgegraben.

Hunderte von Brunnen waren über die ganze Stadt verteilt, und auch das Abwassersystem ist höchst komfortabel: Die Abwasserrohre der Häuser mündeten in Gräben, die längs zu beiden Seiten der Strassen verliefen und meist überdeckt waren.

Auffallend die Sachlichkeit der Hausfassaden. Kaum Erker, Säulen, keine Bildhauerei an den Wänden, so kunstfertig die Bewohner sonst waren. Es ist natürlich gut möglich, dass äussere Verzierungen aus Holz waren und man darum nichts mehr davon vorgefunden hat. Die Türen waren eng, Fenster fehlten meist.

In den grösseren Wohnhäusern gab es dafür fast immer Badezimmer und Frischwassertanks. Man lebte "nach innen", davon zeugen die vielen Innenhöfe. - Diese Architektur findet sich heute noch im Orient und die Römer hatten sie für ihre Atriumhäuser übernommen.

Im Ganzen machen die Städte mehr einen praktischen und komfortablen als einen luxuriösen oder feudalistischen Eindruck.

Wir sind hier in New York, Rotterdam, Helsinki, La Chaux-de-Fonds, nicht in Florenz, Paris oder Wien.

 

Ungeachtet ihres sachlichen Geschäftssinnes müssen die Menschen sehr kinderliebend gewesen sein. Es gibt ausserordentlich viele Spielsachen: Kleine Ochsen mit Karren - die Ochsen können sogar den Kopf bewegen-, Vogelbauer mit Vögelchen aus Ton, Pfeifen, Rasseln mit bunten Steinchen und Puppengeschirr, das sich die Kinder selbst gebastelt haben; man sieht noch die kindlichen Fingerabdrücke im Ton.

 

Religion und Kultus

Auffallend ist, dass man nirgends Tempel oder Altäre gefunden hat - ganz im Gegensatz zu Mesopotamien und Ägypten. Dafür zahllose kleine Frauenstatuetten, die sehr wahrscheinlich Abbildungen einer Göttin sind. Vermutlich handelt es sich um eine Muttergöttin, wie sie heute noch in Indien verehrt wird.

Auf vielen Siegeln sieht man eine von Tieren umgebene sitzende Gestalt - ohne Frage die früheste Form Shivas, des einen der beiden grossen Götter des Hinduismus. Auch das würde darauf hindeuten, dass der Hinduismus eben nicht nur die importierte Religion der Arier war, sondern durch Verschmelzung mit der älteren Kultur des Industals entstanden ist. Es finden sich so viele Tiere auf Amuletten und Siegeln, dass man daraus auch auf eine grosse Anzahl Tiergötter schliessen darf.

 

Auf Friedhöfe traf man erst an fünf Grabungsorten im Industal. Interessant ist, dass sich in den älteren Grabstätten erdbestattete Skelette finden, in den jüngeren hingegen Urnen, die aber nicht Asche, sondern intakte Teile von Skeletten enthalten.

Die Skelette liegen fast stets in West-Ost -Richtung, und es findet sich überall rote Töpferware mit schwarzem Muster als Grabbeigabe. Manche Skelette waren in Schilfmatten eingewickelt; diese Sitte ist eindeutig mesopotamischen Ursprungs!

Die Urnen wurden oft mit Pfauen und Rindern verziert- ihre Bedeutung lässt sich nur erahnen. Vielleicht waren es Begleiter auf der Reise in das nächste Leben? Der Übergang von der Erdbestattung zur Urnenbestattung zeigt jedenfalls eine Änderung des Kultus bereits vor der arischen Einwanderung. Nach wedischem Ritus werden Verstorbene noch heute auf einem Scheiterhaufen verbrannt - gelegentlich samt ihren Witwen.

 

Die Schrift der Harappaner

Den Forschern stehen rund 3500 Schriftstücke auf Steinsiegeln, Amuletten aus Terrakotta und Töpferwaren zur Verfügung. Diese weisen aber durchwegs nur kurze Inschriften auf, selten mehr als fünf Zeichen. Immerhin weiss man, dass die Schrift aus rund 450 verschiedenen Zeichen besteht.

Vermutlich wurden längere Schriftstücke nicht- wie bei den Sumerern - in Ton geritzt, sondern auf Papyrus oder andere vergängliche Materialen geschrieben. Das Klima im Industal ist feucht und der Archäologie wesentlich weniger wohlgesonnen als die trockene Hitze des Niltals.

Zurzeit sind in mehreren Ländern Forschergruppen daran, mit Hilfe von Computern und allen bekannten Schriftzeichen das Geheimnis der Industal-Schrift zu lüften. Bis zum guten Gelingen wird wohl noch viel Wasser den Indus hinabfliessen.

 

EIN PAAR GEDANKEN

Wir wissen jetzt, dass die Zeugen einer Hochkultur während Jahrtausenden fast unbeschadet überstanden haben. Nun aber, da sie unseren Blicken und unserem Staunen offenbar werden, jetzt, wo sie ausgegraben und ans Tageslicht geholt worden sind, drohen sie innert kurzer Zeit zu Staub zu zerfallen.

Viel Geld, Arbeit und Technik wird eingesetzt um den natürlichen Zerfall, vorab durch Versalzung und feuchtes Klima zu stoppen.

MOHENJO-DARO sei seinerzeit, so haben uns die Wissenschaftler erklärt, als Stadt konzipiert, geplant und gebaut worden.

Geniale Planer und Bauleute müssen da am Werk gewesen sein. Unerklärlich ist, wo und wie sie ihre Kunst erworben haben, unbekannt warum und wie sie aus der Welt verschwunden ist, (wenn sie es wirklich ist). - Möglich könnte ja sein, dass auch hier Ahnen der FM am Werk gewesen sind. – Gedanken und Interpretationen solcher Art überlasse ich gerne jedem Einzelnen.

1947 ist Pakistan durch Ablösung von Indien entstanden. Glaubensfragen dominierten diese Staatentrennung. Der Islam ist in Pakistan Staatsreligion, mehrheitlich Hindus sind die Inder. Wir haben von Wissenschaftlern erfahren, dass kulturelle und religiöse Aspekte der harappanischen Kultur in den Hinduismus eingeflossen sein könnten. Der Islam hat andere Wurzeln in wesentlich jüngeren Zeiten und es könnte m.E. durchaus sein, dass unter diesem Überbau kulturelle Elemente verborgen liegen, wie ja schliesslich die von uns betrachteten Zeugen auch Jahrtausende unbeachtet geblieben sind.

Erhalten haben sich die zwei wichtigen Zentren: Im Norden Pakistan die Hauptstadt ISLAMABAD, entsprechend HARAPPA und im Süden Karachi, entsprechend MOHENJO DARO.

Von einer Reise in Pakistan und von meiner 1. Begegnung mit der Harappa-Kultur habe ich Euch berichtet. Die Faszination des Reisens ist und bleibt für mich die Begegnung mit Menschen aber jedes Mal gilt es eigene Wertmassstäbe, Wünsche, Vorstellungen und soweit wie möglich kulturelle Prägungen bewusst beiseite zu legen um überhaupt schauen und erkennen zu können, was es an Andersartigem, Wunderbarem auf dieser Welt alles gibt. Wunderbar und überwältigend ist die Gastfreundschaft, die wir hier erleben durften. Auch sie bleibt uns Erinnerung und ist uns Beispiel für unser Leben.

 

Br. H.H